Abschied des Nestors der slowenischen Volksgruppe
Tischler hinterließ zweifelsohne einen starken Abdruck auf verschiedenen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens, insbesondere jedoch auf dem politischen, kulturellen und schulischen. Seine lange Ära einer aktiven Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, welche in ihrem Wirken vor allem eine Lebensmission sieht, hat es ihm noch zusätzlich ermöglicht, seinen großen Einfluss zu stärken und zu bewahren. Auch nach der Pensionierung war er weiterhin der Nestor der slowenischen Volksgruppe in Kärnten. Er war nicht nur „der große alte Mann“ der Dachorganisation, die er selbst begründet hatte, vielmehr überwand seine Autorität oftmals klassische weltanschauliche und parteipolitische Trennungen innerhalb der Volksgruppe. Sein Ansehen überwand nicht nur Landesgrenzen, sondern reichte auch über Staatsgrenzen hinaus. Der slowenische Schriftsteller Boris Pahor, der bekannteste Widerstandskämpfer gegen den Faschismus innerhalb der slowenischen Volksgruppen in Italien und Österreich, der oft offen das Fehlen des Nationalgefühls bei so manchen Zeitgenossen kritisierte, wünschte ihm anlässlich seines 75. Geburtstages, er möge »noch lange ein sichtbares Vorbild unseres Nationalstolzes sein«.
Zahvala Joška Tischlerja veleposlaniku Gustavu Vlahovu za predajo odlikovanja / Dankesworte Joško Tischlers an den Botschafter Gustav Vlahov für die Überreichung des Ordens, 14. 1. 1977. (ADT/ZRC SAZU)
Čestitka pisatelja Borisa Pahorja ob Tischlerjevi 75-letnici / Gratulation des Schriftstellers Boris Pahor zum 75. Geburtstag Tischlers, 19. 5. 1977. (ADT/ZRC SAZU)
Der scheidende jugoslawische Botschafter Gustav Vlahov überreichte anlässlich seines Abschiedsbesuches am 8. Jänner 1977 Joško Tischler einen hohen Orden – den Orden vom jugoslawischen Stern mit goldenem Kranz. Tischler hob bei dieser Gelegenheit besonders die Gründung des Slowenischen Gymnasiums hervor, war er doch „überzeugt, dass die Jugend die Trägerin der Idee des friedlichen Zusammenlebens und des gegenseitigen Verständnisses beider Nachbarstaaten sein wird“. Die Antwort an den Botschafter beendete er mit der vorsichtigen Ansage, dass das Ziel seiner politischen Anstrengungen irgendeinmal doch erreicht werden würde: „Dieser Weg wird jedoch noch lang und dornig sein und ich bin überzeugt, dass wir die Erfolge weder heute noch morgen erleben werden, aber wir werden sie erleben.“
Trotz Pensionierung und Krankheit verfolgte Tischler noch weiterhin aufmerksam das aktuelle Geschehen. Oder wie Marjan Sedmak, der Korrespondent der Tageszeitung Delo in Wien, anlässlich seines Todes schrieb: „Ungeachtet der Krankheit, die er mit seiner Zähigkeit mehrmals hintereinander überwand, blieb er bis zuletzt nie abseits stehen.“ Die Krankheit jedoch war stärker. Tischler starb am 23. Jänner 1979.
LetaTelegram kanclerja Bruna Kreiskega Jošku Tischlerju z željo po čimprejšnjem okrevanju / Telegramm des Kanzlers Bruno Kreisky an Joško Tischler mit besten Genesungswünschen, 12. 1. 1979. (ADT/ZRC SAZU)
Anlässlich des Todes Tischlers kamen Beileidsbekundungen und Telegramme von verschiedenen Stellen. In Österreich verabschiedeten sich auf diese Weise Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, Kanzler Bruno Kreisky, Vizekanzler Hannes Androsch und der Kärntner Landeshauptmann Leopold Wagner. Von den jugoslawischen Machthabern schickten vor allem slowenische Politiker ihre Beileidsbekundungen, auf Bundesebene waren es das Mitglied des Präsidiums der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien Edvard Kardelj und der Exekutivsekretär des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens Stane Dolanc, auf der Ebene der Republik Slowenien der Präsident der Versammlung der Sozialistischen Republik Slowenien Milan Kučan und der Vorsitzende ihres Exekutivrates Anton Vratuša. Auf beiden Seiten der Grenze sprachen auch kirchliche Würdenträger ihr Beileid aus, der Bischof von Maribor Vekoslav Grmič und der Gurker Bischof Josef Köstner, die auch beim Begräbnis am 29. Jänner sprachen. Bischof Köstner, der die Messe leitete, dankte Tischler „für das Vorbild eines echten christlichen Lebens und für das pionierhafte Mitwirken bei der Organisation des Laienapostolates in der Gurker Diözese“. Grmič verabschiedete sich vom Verstorbenen im Namen der gesamten slowenischen Kirche und bezeichnete ihn als Menschen, „bei dem wir dieses Wort mit Großbuchstaben schreiben müssten“. Auf dem Friedhof in Ebenthal verabschiedete sich in seiner Grabesrede sein Nachfolger als Direktor des Slowenischen Gymnasiums, Reginald Vospernik, „von der zentralen kulturpolitischen Persönlichkeit des zweisprachigen Kärntens in der Vor- und Nachkriegszeit“. Am Begräbnis nahm auch der Klagenfurter Bürgermeister Leopold Guggenberger teil.
Parte ob smrti Joška Tischlerja / Parten anlässlich des Todes von Joško Tischler. (ADT/ZRC SAZU)
Poročanje Našega tednika ob Tischlerjevi smrti / Berichte in der Wochenzeitung Naš tednik anlässlich des Ablebens von Joško Tischler.
Die engsten politischen Mitarbeiter verabschiedeten sich von Tischler vor dem Begräbnis in einer Trauersitzung des Rates der Kärntner Slowenen am 29. Jänner; Obmann Matevž Grilc fasste Tischlers „nationalpolitisches Testament“ mit diesen Prinzipien zusammen: „Realität, politische Präsenz, Einheit, Bereitschaft zum Dialog auf Grundlage des Artikels 7 des Österreichischen Staatsvertrages und gute Beziehungen mit dem Muttervolk.“ Auch vom Christlichen Kulturverband wurde eine Trauersitzung einberufen. Obmann Lovro Kaselj hob Tischlers Bewusstsein hervor, dass Volkstumspolitik und Kulturarbeit in der Kärntner slowenischen Gemeinschaft untrennbar miteinander verbunden sind. Auch Franci Zwitter, Obmann des Zentralverbandes slowenischer Organisationen, schickte der Familie des Verstorbenen ein Beileidschreiben. Der Generalsekretär der Österreichischen Liga für Menschenrechte Erich Körner hob in seinem Nekrolog insbesondere Tischlers Rolle im Bildungsbereich heraus, er erinnerte aber auch an seinen Mut in der Zeit des Naziregimes. Laut Körners Meinung wurde Tischler nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches zum „Figl der Kärntner Slowenen“, verteidigte er doch ihre Interessen sowohl gegenüber den neuen österreichischen Instanzen und den britischen Besatzungsbehörden auf der einen Seite, als auch gegenüber den unrealistischen Direktiven der jugoslawischen Kommunisten auf der anderen.
Innerhalb der im Familiennachlass erhalten Briefe sticht besonders jene Handschrift hervor, die der berühmte Kärntner slowenische Literat und Professor am Slowenischen Gymnasium Janko Messner am Todestag Tischlers verfasste. Im postumen Dialog schrieb er unter anderem: „Du wirst Vater unseres Gymnasiums genannt. Der wahre Vater sorgt für alle Mitglieder seiner Familie, auch für die ‚verlorenen Söhne‘. Du hast Dich stets abgemüht. Uneigennützig. Deshalb gabst Du anderen Anerkennung für ihre Mühe. Deine Losung war: zuerst der Dienst, dann die Gesellschaft. Du warst emsig wie eine Ameise, Du hast arme Schüler außerhalb der Schule gratis unterrichtet. Und hast ihnen etwas zu essen gegeben. Wenn es nötig war, hast Du dich für unser Gymnasium weit über das geforderte Maß abgerackert.“