Enttäuschungen in der Zweiten Republik

Drago Štoka, unter anderem langjährige Führungspersönlichkeit der Slowenischen Gemeinschaft, der wahlwerbenden Partei der Slowenen in Italien, rief anlässlich des Todes von Tischler ein Gespräch in Erinnerung, das auch in der Wochenzeitung Naš tednik veröffentlicht worden war. Mit der führenden Persönlichkeit des Rates der Kärntner Slowenen wurde nämlich ein Vergleich der Situation der Slowenen in beiden Staaten gezogen, wobei auch die „Unannehmlichkeiten“ besprochen wurden, mit denen sich Minderheitenpolitiker auseinanderzusetzen haben. Štoka stellte dabei grübelnd die Frage in den Raum, „ob es nicht besser wäre, so er noch einmal geboren würde, in Paris oder London oder in Rom das Licht der Welt zu erblicken – in einer Großstadt, fern von jeglicher provinzlerischer Atmosphäre“. Tischler wies solche Überlegungen entschieden zurück: „Wenn ich noch einmal geboren werden könnte, möchte ich gerne wieder hier mitten unter meinen Leuten mit ihren Schwierigkeiten und ihrer Armut geboren werden.“

Eine Gruppe von zehn Menschen sitzt im Freien auf einer Wiese, im Hintergrund befindet sich eine große Burg oder Schloss auf einem Hügel, umgeben von Bäumen, und einige kleinere Gebäude.

Tischler in Blüml z učitelji Kmetijske gospodarske šole v Tinjah / Tischler und Blüml mit den Lehrern der Landwirtschaftsschule in Tainach. (ADT/ZRC SAZU)

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einer Bank, der Mann hat die Hände gefaltet, die Frau hält einen Blumenstrauß.

Joško in Ana Tischler med molitvijo ob srebrni poroki v cerkvi na Gospe Sveti, 18. 8. 1954. /  Joško und Anna Tischler beim Gebet anlässlich ihrer Silberhochzeit in Maria Saal.   (ADT/ZRC SAZU)

Tischler widmete sich als erster Direktor des Slowenischen Gymnasiums zur Gänze der Leitung der Schule. Den Vorsitz des Rates der Kärntner Slowenen übernahm im Jahre 1960 Valentin Inzko der Ältere. Bei der Vollversammlung des Rates erklärte Tischler, wegen der dienstlichen Verpflichtungen nicht noch eine politische Organisation leiten zu können. Für seine Weggefährten kam diese Aussage überraschend. Angeblich wurde er dreimal gebeten, neuerlich zu kandidieren, aber er lehnte immer ab.

Obwohl Tischler keine exponierte politische Funktion mehr innehatte, wurde er von seinen Gegnern weiterhin mehr oder weniger offen angefeindet. Als im Oktober 1960 Fran Erjavec, der Verfasser der Geschichte der Kärntner Slowenen, gestorben war, verabschiedete sich Tischler auch im Namen der Kärntner Slowenen von ihm. Das hatte ein harsches Schreiben des Landesschulrates zur Folge, in dem er aufgefordert wurde, seine Abwesenheit von der Dienststelle zu erklären. Er wurde nämlich aufgefordert, dem Landesschulrat mitzuteilen, ob er für den Besuch in Ljubljana „die Bewilligung der vorge­setzten Dienstbehörde, das ist der Landesschulrat, hiefür eingeholt“ habe. Tischlers Antwort war entschlossen. Er sei nicht nach Ljubljana gefahren, um zu genießen, sondern aus Pflichtgefühl anlässlich des Todes eines langjährigen Freundes. Er fügte hinzu, dass ihm Besuche von Kärntner Beamten im italienischen Tarvis (Tarvisio, Trbiž) bekannt wären, welche wegen der Genüsse und des Weines dorthin gefahren seien und wofür sie sicherlich keine Erlaubnis eingeholt hätten. Wenn man aber schon von gesetz­lichen Vorschriften rede, erinnerte Tischler daran, dass noch immer die Bestimmung nicht erfüllt sei, dass der Landesschulrat eine eigene Abteilung für das Slowenische Gymnasium einrichten muss. Weil es jedoch nicht gelungen sei, letztere einzurichten, konnte sich Tischler nicht an sie wenden, um die Erlaubnis für die Abwesenheit zu erlangen.

Schriftliches Dokument, ein offizielles Schreiben vom Landeskultusrat für Kärnten in Klagenfurt, datiert vom 16. November 1960, adressiert an Dr. Josef Tischler, Leiter des Bundesrealgymnasiums und Gymnasium in Slowenien, mit Bezug auf eine Todesmeldung und eine Ehrung für Dr. Tischler.
A typewritten letter in German, dated April 1, 1960, addressed to an organization related to the Cultural Festival of Carinthian Flowers and Culture.

Tischlerjev dopis Avstrijski ligi za človekove pravice / Tischlers Schreiben an die Österreichische Liga für Menschenrechte,  1. 3. 1966.  (ADT/ZRC SAZU)

Dopis koroškega deželnega šolskega sveta Tischlerju / Schreiben des Kärntner Landesschulrates an Tischler, 16. 11. 1960. ADT/ZRC SAZU)

Tischler wurde in der Zweiten Republik nicht nur von den Regierungskreisen in Wien und Klagenfurt enttäuscht, in Trauer versetzte ihn auch das Vorgehen der Kirche, insbesondere der Standpunkt der katholischen Hierarchie in der Frage der nationalen Gegensätze in Kärnten. Trotzdem blieb er ihr treu. Es störte ihn auch das stiefmütterliche Verhältnis des Ordinariates der Gurker Diözese zum Hermagoras-Verein, in dem er den Verbindungsrahmen zum gesamten slowenischen ethnischen Raum sah. Die Spannungen zwischen der Kärntner Kirchenhierarchie und Tischler, vor allem in der Frage der Gottesdienstsprache und der Sprache im Religionsunterricht, blieben bis zu seinem Tode erhalten. Trotzdem glaubte er, dereinst würde auch die Kärntner Kirche den slowenischen Gläubigen mehr Gehör schenken.

Ein offizielles Dokument auf Slowenisch von 1958 mit einem Stempel und einer Unterschrift.

Tischlerjev dopis rojakom / Tischlers Schreiben an die Landsleute, 10. 6. 1958.  (ADT/ZRC SAZU)