Jugendjahre und Bildungsweg
„Jozej, und vergiss nicht aufs Zuhause und auf Gott!“ Mit diesen Worten verabschiedete sich die Mutter auf dem Tainacher Feld (Tinjsko polje) vom damals 12-jährigen Sohn Joško, als er aufs Klagenfurter Gymnasium ging. Die gefühlsbetonte Aussage der traurigen Mutter beim Abschied spiegelt die mentale Welt der Mitglieder der Tischler-Familie am Vorabend des Ersten Weltkrieges wider. Die Verbundenheit mit dem Zuhause und dem katholischen Glauben war bei der Mehrzahl der Kärntner slowenischen Bauern tief verankert; als er ein Jahrzehnt später – damals schon als Student in Wien – mit der Politik zu liebäugeln begann, war gerade die Auflage der Mutter der Hauptleitsatz im gesellschaftlichen Leben Tischlers.
Moje življenje (Mein Leben) – prva stran rokopisa spominov Joška Tischlerja. / Erste Seite der handschriftlichen Erinnerungen Joško Tischlers. (ADT/ZRC SAZU)
Domovinski list Joška Tischlerja, izdan v Tinjah | Heimatschein von Joško Tischler, ausgestellt in Tainach, 19. 5. 1928. (ADT/ZRC SAZU)
Joško Tischler wurde am 8. Mai 1902 als achtes Kind des Vaters Jožef Tischler und der Mutter Ana, geborene Starc, beim vlg. Marko in Littermoos geboren. Im Herbst 1909 kaufte der Vater das Gehöft vlg. Hajnžl in Tainach, wohin die gesamte Familie zog. Tischler erinnerte sich später, dass in der dortigen Schule der „deutsche Geist“ vorherrschte. Der Unterricht war nämlich fast zur Gänze
deutsch mit der Ausnahme des Religionsunterrichtes, den der Propst Gregor Einspieler oder sein Kaplan Lovro Božič hielten. Im Frühjahr 1914 begann dieser den jungen Tischler auf die Aufnahmeprüfung vorzubereiten und begleitete ihn Anfang Juli zur Prüfung nach Klagenfurt. Es war für Tischler die erste Eisenbahnfahrt überhaupt. Zur Aufnahmeprüfung bekamen die Schüler ein Deutschdiktat, Satz- und Wortanalyse sowie noch einige Rechnungen – Tischler bestand mit Erfolg. Es begann der Erste Weltkrieg, den die Habsburgermonarchie nicht überlebte. Wegen der unsicheren Zeiten vor der Volksabstimmung schickten die Eltern Tischler nach Kranj, wo er in den Jahren 1919–1921 das Gymnasium besuchte. Die letzte Klasse beendete er im Jahre 1922 wiederum in Klagenfurt. Es folgte die Inskription an der Wiener Universität, wo er Ende 1926 promovierte; im darauffolgenden Jahr legte er die Lehramtsprüfungen aus Mathematik und Physik ab.
Die slowenischen Studenten lebten damals in Wien in schwierigen Verhältnissen, zerstreut in der ehemaligen kaiserlichen Residenzstadt. Ihre materielle Lage war wahrhaft nicht beneidenswert, sie waren mehr hungrig als satt. Laut den Erinnerungen seines Kollegen Bratko Kreft – beide waren im Klub der Kärntner slowenischen Akademiker tätig – war Tischler eine Ausnahmeerscheinung: „Den schwierigen sozialen Umständen zum Trotz zählte Tischler zu den fleißigsten Studenten, weil er möglichst bald seine Studien beenden und nachher die Stelle eines Supplenten irgendwo in Kärnten bekommen wollte.“ Der Wiener Klub der slowenischen Studenten organisierte alljährlich in den Ferien Zusammenkünfte in einem der Kärntner Orte; daran nahmen auch Klagenfurter Theologiestudenten und Mittelschüler gerne teil. Unter anderem konnten sie regelmäßig den Berichten über die aktuellen politischen Tätigkeiten der beiden slowenischen Kärntner Landtagsabgeordneten, des Pfarrers Ivan Starc und des Arztes Franc Petek, zuhören, oft referierte auch der einflussreiche Prälat Valentin Podgorc. Die erste Ferienversammlung gab es im August 1923 in Ludmannsdorf, es folgten Treffen in Achomitz (1924), Zell (1925), Augsdorf am Wörthersee (1926), Bleiburg (1927) und St. Johann im Rosental (1928). Tischler fasste die Eindrücke von den Ferientreffen in der Broschüre Dijaki narodu (Studenten dem eigenen Volk) zusammen, wobei er besonders die gesellige Stimmung in Zell hervorhob, wo die Studenten am 25. und 26. August 1925 versammelt waren: „Manch einem von uns war Zell noch ein unentdeckter Flecken der slowenischen Erde und er konnte nicht genug staunen ob der Pracht der Natur am Fuße der steilen Koschuta. Der harmonische Gesang der Zellaner sowie die gute Stimmung und der Humor des Rutar-Jur hoben die Festlichkeit unseres Aufenthaltes in Zell sowie die gute Laune der Studenten, die sich in Zell gar heimisch fühlten.“
Nach Studienende in Wien suchte Tischler beim Kärntner Landesschulrat sofort um Zulassung zum Probejahr an. Er wurde der Klagenfurter Realschule zugeteilt, wo er vom 3. Jänner bis zum 28. Juni 1928 Mathematik und Physik unterrichtete. Jedoch war, laut seinem eigenen Zeugnis, die Beziehung der Professoren zu ihm „eisig“. Eine ständige Anstellung bekam er in Klagenfurt nicht, er fand sie aber auf dem Realgymnasium in Fürstenfeld in der Steiermark, wo er am 6. September 1928 den Dienst antrat. Im Unterschied zu den angespannten Beziehungen in Klagenfurt herrschte im Lehrkörper eine gute, freundschaftliche Stimmung. Während seines Dienstes in Fürstenfeld ehelichte Tischler am 18. August 1929 Ana Podlipnik. Die schöne Stimmung an der steirischen Schule nahe der Grenze zu Ungarn dauerte jedoch nicht lange. Nach der Machtübernahme Hitlers in Berlin wurde auch sie von Unruhe erfasst. Im Herbst 1934 kehrte Tischler nach Kärnten zurück und trat aktiv in das dortige politische Geschehen ein.